Eine mechanische Uhr braucht von Zeit zu Zeit ein bisschen Aufmerksamkeit und Zuneigung. Für das ästhetische Empfinden spielt dabei vor allem die Gehäuseaufarbeitung eine Rolle. Doch was hat es damit eigentlich auf sich? In diesem Beitrag wollen wir einen genaueren Blick werfen auf Polieren, Lapidieren, Satinieren und was sonst noch dazu gehört.
Die Patientin: Eine Breitling „Old Navitimer“ aus dem Jahr 1996. Im Laufe der Jahre viel getragen, einige Male unprofessionell aufpoliert. Letztes Service? Mindestens zehn Jahr her …
„If you want the job done right, hire a professional!“ Jean Renos Worte in Léon – der Profi im Ohr, geht es ab mit der Uhr zu einem der für mich besten Uhrmacher Österreichs, zu RO&RO Uhrmacherhandwerk in Wien.
Es gibt viele gute Uhrmacher, doch nur wenige legen so großen Wert auf die Gehäuseaufarbeitung wie Kevin von RO&RO. Schon während seiner Ausbildung entdeckte er seine Leidenschaft für das „Polierkammerl“. Er selbst bezeichnet sich als Uhrgehäuserestaurator. In der Schweiz gibt es tatsächlich eine offizielle Bezeichnung für diese Tätigkeit, und zwar Poliseur.
Neben dem Polieren ist auch das Lapidieren ein wichtiger Schritt. Lapidieren bezeichnet eine Technik zum Schleifen gerader Flächen mittels spezieller Maschinen. Abgesehen von den Gerätschaften ist allerdings auch viel Erfahrung bei deren Bedienung notwendig. Die große Kunst der Gehäuseaufarbeitung besteht darin, das ursprüngliche Schliffbild nicht zu verändern.
Bei der vorliegenden Uhr hat Kevin zuerst die oberen Flächen der Hörner von Hand lapidiert. Es folgte das grobe und später feine Schleifen der Gehäuseflanken mit dem Bandschleifer. Der nächste Schritt war die Kantenbrechung auf den Hörnern von Hand mit der Lapidiermaschine.
Das Finish von Oberseite und Kantenbrechung wurde mit feinem Schleifpapier (2.500 - 3.000 Körnung) durchgeführt, gefolgt von einer Politur mittels einer Seiden-Baumwollscheibe. Diese handgefertigten Scheiben lässt Kevin extra anfertigen.
Die Lünette wurde erst mit grobem, dann mit feinem Papier geschliffen und anschließend mit einer Zinnscheibe lapidiert. Der Boden wurde mit feinem Papier unter Berücksichtigung der Bodengravur ebenfalls lapidiert. Zum Schluss erfolgte ein Sandstrahlen des Logos, gefolgt vom Abschleifen und Polieren der erhabenen Flächen.
Wie man sieht, ist die professionelle Gehäuseaufarbeitung ein sehr arbeitsintensiver Prozess. Das Ergebnis kann sich jedoch sehen lassen. Beim Verlassen des „Polierkammerls“ befindet sich das Uhrengehäuse wieder in nahezu perfektem Zustand. Die Uhr ist schon 24 Jahre alt, das sieht man ihr aber nicht (mehr) an.
Was während einer Revision mit dem Uhrwerk passiert, erfahrt ihr in unserem nächsten "Experten Wissen"-Beitrag!
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