Schmuckmesse Madridjoya
Pfand übern Tellerrand

Tradition, Trend und Transformation: die Madridjoya als Spiegel der Schmuckbranche

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Bereits beim Betreten des Messegeländes IFEMA spürt man die perfekte Organisation, denn diskret postiertes Wachpersonal sorgt für ein Gefühl der Sicherheit, ohne die Leichtigkeit der Atmosphäre zu beeinträchtigen. Die Hallen sind so angeordnet, dass sich zwischen ihnen eine teilweise palmengesäumte Flaniermeile unter freiem Himmel öffnet, die dem geschäftigen Treiben eine mediterrane Gelassenheit verleiht. Zeitgleich öffnen auch drei weitere Messen ihre Tore, die sich im weitesten Sinn mit der Kunst der schönen Dinge und der perfekten Ausformung guten Lebens befassen.

Rundgang durch die Messestände

Messestände Madridjoya 2025

Ästhetisch gestaltete Messestände in Halle 4 der MadridJoya 2025 mit exklusivem Design, Boutiquen-Charakter und Raum für persönliche Kundengespräche.

Messestände Madridjoya 2025

Ästhetisch gestaltete Messestände in Halle 4 der MadridJoya 2025 mit exklusivem Design, Boutiquen-Charakter und Raum für persönliche Kundengespräche.

Messestände Madridjoya 2025

Ästhetisch gestaltete Messestände in Halle 4 der MadridJoya 2025 mit exklusivem Design, Boutiquen-Charakter und Raum für persönliche Kundengespräche.

 

Die Madridjoya präsentiert sich in den Hallen 4 und 6. Während in Halle 6 der Bereich „Cash and Carry“ dominiert – mit Halbfabrikaten und Steinkettenschnüren, die sofort erworben werden können – offenbart sich hier deutlich jener schmale Grat, solch funktionale Produkte in einem visuell ansprechenden Messestand zu präsentieren. In Halle 4 wiederum bietet sich uns ein ästhetisch verfeinertes Konzept mit spannendem Wechselspiel: geschlossene Kuben, fast wie kleine Boutiquen, ermöglichen diskrete Kundengespräche, während offene Stände den Dialog mit den Besuchern suchen. Diverse Aussteller beeindrucken besonders im Ausdruck von Exklusivität und Raffinesse, wie beispielsweise der Messestand von Lineargent, der uns sowohl mit seinen weit auseinander stehenden organisch wirkenden Lamellen begeistert, als auch, weil selbst das Lichtdesign durchdacht ist – ein nicht unwesentlicher Aspekt, wenn man wie meine Kollegin Kristina auch Bewegtbildsequenzen macht und flackerfreies Licht unerlässlich ist. 

Silber im Rampenlicht: neue Wege jenseits des Goldstandards

Silberschmuck MadridJoya

Silberschmuck im Fokus auf der MadridJoya 2025 – kreative Konzepte jenseits des Goldstandards, u. a. bei Salvatore Plata mit der Kollektion „Silken Code“.

Silberschmuck MadridJoya

Silberschmuck im Fokus auf der MadridJoya 2025 – kreative Konzepte jenseits des Goldstandards, u. a. bei Salvatore Plata mit der Kollektion „Silken Code“.

 

Der hohe Goldkurs scheint Anlass zu sein, den Ideenreichtum im Bereich Goldschmuck ausgebremst zu haben – man setzt auf Altbewährtes: die üblichen Verdächtigen wie Kreuze, Schutzengel und Tierkreiszeichen als Evergreen. Vielmehr herausragend sind diesmal Ausstellende, die sich dem Material Silber verschworen haben – aus Überzeugung. Allen voran das Label Salvatore Plata, deren Mitarbeiterin uns mit offener Herzlichkeit und darüber hinaus einer Stofftasche mit Infomaterial empfängt – ist immerhin sonst keinem eingefallen! Ein kleines Detail gewiss, aber eines, das zeigt, dass Gastfreundschaft und Kundenorientierung großgeschrieben werden. Nach fantasievollen Titeln wie astral, caramel oder helenica trägt die aktuelle Kollektion den Namen „silken code“, inspiriert von der Seidenstraße, spielte doch einst die Hafenstadt Valencia, in der das Unternehmen seinen Sitz hat, ab dem 15. Jhdt. eine Rolle im europäischen Seidenhandel, sie ist sozusagen der westliche Ausläufer der Seidenstraße. Sich einerseits mit Geschichte intensiv auseinanderzusetzen, um dann in der Formensprache bewusst komplett neue Wege zu gehen, hat mich insofern vollinhaltlich abgeholt, als mein Liebkind als Schätzmeisterin antiker Schmuck ist und wie sich dieser in den jeweiligen Epochen darstellt.

Rhythmus der Messe

Unsere Anreise am Donnerstag erweist sich als Glücksgriff. Der erste Messetag ist noch weniger stark besucht, die Betreiber haben Zeit für konstruktive Gespräche, sodass wir uns in Ruhe vorstellen und erfragen können, ob Fotos und Videosequenzen erlaubt sind. 


Der Freitag hingegen bringt geschäftigeres Treiben. Es ist eindrucksvoll zu sehen, wie die Messe hier ihre zweite Funktion erfüllt: als Bühne der Wiederbegegnungen. Zweimal im Jahr dient die Madridjoya auch dazu, dass man sich als Händler in Erinnerung ruft und nicht in Vergessenheit gerät. Bekannte Gesichter der Branche treffen auf ihnen vertraute Klientel, es werden kleine Häppchen und Getränke gereicht – es dominiert eine heitere, aber stets professionelle Atmosphäre. Meine Kollegin und ich lehnen dankend ab, denn unsere Mission nach getaner Arbeit lautet: chorizo und/oder churros?

 

Innovation und Dialog in der Schmuckkunst

Schmuckkünstler Pedro Juan Gil

Schmuckkünstler Pedro Juan Gil vereint Design und Handwerk: Nach seinem Industriedesign-Studium kehrte er an die Goldschmiedeschule in Córdoba zurück. Heute arbeitet er freischaffend und als Messebetreuer für Waxprint – inspiriert von Natur und Kunst.

Wachs-3D-Druck

Fortschritt im 3D-Druck: Uniway 3D Technologies zeigt mit „Grape Resin“ ein neues, lila Wachs – stabiler, feiner, innovativ. Das Modell stammt von Waxprint und steht für höchste Präzision im Schmuckguss.

Messestand Córdoba

Der Córdoba-Stand zeigt das breite Rahmenprogramm der Messe und die Bedeutung der Escuela de Joyería: Hier trifft digitale Technik auf Handwerkstradition – ein Ausbildungszentrum mit Zukunft.

Tor in Córdoba – diesmal für das Goldschmiedehandwerk

Einer der Messestände im Zentrum stellt das vielfältige Rahmenprogramm mit Vorträgen und Podiumsdiskussionen. Es stellt sich heraus, dass sich die Stadtverwaltung Córdobas dafür verantwortlich zeigt. Meine Recherchen ergeben, weswegen diese Stadt solch ein Schwergewicht ist, denn während in den Hallen von IFEMA die Schlagworte CAD, 3D-Druck und Lab-Grown die Zukunft buchstabieren, erinnert der Córdoba-Stand daran, dass jedes Morgen im Goldschmiedehandwerk aus einem Gestern geschmiedet ist. Die Escuela de Joyería de Córdoba – seit 2019 nationales Referenzzentrum – zeigt, wie man nicht museal konserviert, sondern dank digitaler Fertigungsmethoden weiterdenkt. Im größten Schmuck-Industriepark Europas wird allerdings nicht nur produziert, sondern auch ausgebildet: 900 Stunden Ausbildung treffen auf Software und Plotter – damit das Handwerk bleibt, während die Methode sich wandelt.

Eine Bereicherung ist deshalb der Gesprächsaustausch mit Pedro Juan Gil, der wahrlich die Brücke zwischen Innovation und Tradition lebt. Akademisch als industrial designer ausgebildet, absolviert er nach Abschluss seines Studiums die Goldschmiedeschule Escuela de Joyeria de Córdoba in seiner Heimatstadt. So sehr sehnt er sich nach jener Haptik, die das Handwerk mit sich bringt, und mit der sein erster Beruf bei all der Bildschirmarbeit nicht aufwarten kann. Heute ist Pedro freischaffender Schmuckkünstler, der sich von der Natur und Details in Gemälden inspirieren lässt, verdient seinen Lebensunterhalt aber auch als Messebetreuer von waxprint – einem türkischen Unternehmen, das den 3D-Print in Wachs (eine Vorstufe zum Schmuckguss) auf ein völlig neues Level hebt.

In Pedros bisheriger Biografie verdichtet sich schließlich das, was Madridjoya insgesamt sichtbar macht: die Notwendigkeit, den „verklärten Zauber des Goldschmiedens“ zu entmystifizieren.

Kleine Kuriositäten, große Innovationen

Schmuckfotografie Software

Das Team von Picup Media präsentiert die effiziente GemLightbox EliteKit Pro – ein kompaktes Schmuckfotostudio mit reflexionsfreien Lichtquellen und KI-gestützter Software zur automatischen Texterstellung und Übersetzung.

Schmuckfotografie Software

Das Team von Picup Media präsentiert die effiziente GemLightbox EliteKit Pro – ein kompaktes Schmuckfotostudio mit reflexionsfreien Lichtquellen und KI-gestützter Software zur automatischen Texterstellung und Übersetzung.

 

Wenn man also erkannt hat, als schmuckschaffende Person neue Verfahren zuzulassen, ist es buchstäblich nur noch ein kleiner Schritt zu jenem Messestand, an dem ich den Australier Jacky Yu und sein Team von Picup Media treffe. Hier wird das wohl kleinste Fotostudio der Welt vorgestellt: die GemLightbox EliteKit pro, in dem sich Schmuckstücke nicht nur stehend und liegend, sondern auch hängend präsentieren lassen. Magnetisch fixierbare Lichtquellen für Brillanten oder Farbsteine erlauben vielfältige und vor allem reflexionsfreie Inszenierungen bei gleichbleibenden Lichtbedingungen. Die wahre Innovation liegt jedoch in der zugehörigen Software, die die aufgenommenen Objekte automatisch textiert und die Beschreibungen mithilfe künstlicher Intelligenz per Mausklick in jede gewünschte Sprache übersetzen kann – eine überaus große Erleichterung für international agierende Unternehmen.

Emotion als eigenständige Sprache

Apropos Sprache: Die Madridjoya ist vordergründig lokal geprägt: Vorträge und Podiumsdiskussionen finden ausschließlich auf Spanisch statt, nicht jeder Anbieter spricht Englisch. Doch es gibt auch Momente, in denen Sprache ganz nebensächlich wird: Etwa, als man einer Schmuckkünstlerin einen Preis für ihr kreatives Schaffen überreicht. Ihre Freude ist so unmittelbar, so ansteckend, dass ich keinen einzigen Satz ihrer Dankesrede verstehen muss und dennoch völlig im Bilde bin.

Laborgezüchtete Diamanten und echte Edelsteine

Edelsteine Schmuckmesse

Mehrere Messestände auf der MadridJoya 2025 zeigten eine erlesene Auswahl echter Edelsteine.

Synthetische Diamanten

Der Lab Grown Diamant rückt nun auch merklich im Fancy (farbig) in den Vordergrund.

Synthetische Diamanten

Laborgezüchtete Diamanten gewinnen zunehmend an Bedeutung.

 

Auch der Markt der laborgezüchteten Diamanten hat sich endgültig etabliert: Was in der farblosen Variante längst Alltag ist, gewinnt nun in der fancy Variante – also farbigen synthetischen Diamanten – zunehmend an Bedeutung und Dynamik. Gerade dieser Teilbereich und die Tatsache, wie preiswert mittlerweile produziert werden muss, dass selbst die Händlerpreise noch derart niedrig sind, wird mich als Schätzmeisterin in den nächsten Jahren zunehmend begleiten und so verblüfft es mich, dass lediglich ein Anbieter lab-grown diamonds ausstellt.

Ergänzend dazu waren auch Anbieter von echten Edelsteinen vertreten. Da ein wesentlicher Teil meines Arbeitsalltags darin besteht, echte von synthetischen Steinen zu unterscheiden, empfand ich es als erfrischend, auf der Messe einmal nicht in der Rolle der Überskeptischen zu sein, sondern die Schönheit und Vielfalt dieser natürlichen Kostbarkeiten ganz unbeschwert genießen zu dürfen.

Schließlich zeigt die Messe, dass das „Rundum-sorglos-Paket“ für die Branche nicht nur aus Schmuck, Halbfabrikaten, Werkzeugen und Geräten besteht. Das Mascherl obendrauf bilden die Point-of-Sale-Produkte – von ideal proportionierten Büsten und Ringhaltern bis hin zu hochwertigen Verpackungsmaterialien, Etuis und Boxen, wie etwa vom namhaften Anbieter Dallinger.

Fazit

Die Schmuckmesse Madridjoya ist ein Treffpunkt für die Branche, an dem sich die lokale Tradition Spaniens mit den innovativen Impulsen der globalen Schmuckbranche verbindet. Die wesentliche Schnittstelle zwischen all der Digitalisierung, Innovation und dem wahrlichen Versuch, dem Nachhaltigkeitsgedanken zu entsprechen, ist und bleibt aber das Goldschmiedehandwerk.

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